Am 23. August 2022 hatten der Bündner Bauernverband (BBV) und die Junglandwirte Graubünden und Glarus in die Bündner Arena nach Cazis eingeladen. Themen waren die Massentierhaltungs-Initiative (MTI) und der Wolf. Vor allem Letzteres hatte sehr viele Landwirt(innen) mobilisiert, die Arena war fast vollbesetzt.
Tierwohl kann man nicht messen
In drei Wochen wird über die MTI abgestimmt. Thomas Roffler, Präsident des BBV, betonte, es sei wichtig, dass man sich die Initiative genau anschaue, um zu wissen, was die Initianten wirklich wollten. Diese verlangen nämlich, dass die Bio-Suisse-Vorschriften von 2018 für die Tierhaltung auf allen Betriebe gelten. «Das ist Tierschutz in Zentimetern gemessen, was auch wichtig ist. Aber viel wichtiger ist, dass es den Tieren gut geht, dass sie gesund sind. Und das kann man nicht so messen», hielt Roffler fest.
Die Initiative suggeriere, dass das Tierwohl in der Schweiz systematisch verletzt werde, trotzdem werde von einer Anpassungszeit von 25 Jahren ausgegangen. «Das wird ganzsicher nicht so sein», ist Roffler überzeugt.
«Falls die Initiative angenommen würde, wird man sie bestimmt schon am Tag nach der Abstimmung umsetzen wollen – mit Kostenfolgen für die einzelnen Betriebe.»
Thomas Roffler, Präsident Bündner Bauernverband
Vor allem Schweine- und Geflügelhaltungsbetriebe wären betroffen. «Die MTI ist unnötig, da eigentlich schon fast alles vorgeschrieben und eingehalten wird», so Rofflers Fazit. Der Markt sollebestimmen, ob die Konsumenten Bio- oder IP-Produkte kaufen wollten.
Mehr Spielraum für Kantone beim Wolf
Das zweite Thema, der Wolf, polarisiert, verändert sich aber auch ständig. Was gestern beim Wolf galt, ist heute schon wieder anders. «Heute sind keine Tiere mehr vor Wölfen sicher», hielt der Bündner Mitte-Ständerat Stefan Engler fest. Seit der Ablehnung des revidierten Jagdgesetzes vor zwei Jahren habe sich sehr viel geändert.
«Selbst Wolfsbefürworter mussten einsehen, dass der Wolf sein Verhalten stark verändert hat. Deshalb ist es dringend nötig, dass das Jagdgesetzt geändert wird.»
Stefan Engler, Mitte-Ständerat GR
2022 gab es in Graubünden bisher 75 Wolfsangriffe mit 240 toten Tieren: Schafe, Ziegen, aber auch Kälber und Mutterkühe. Abgeschossen werden durften bis jetzt nur zwei Jungwölfe des Beverin-Rudels und in der Surselva ein Wolf, der den Menschen zu nahe gekommen war. Engler erklärte das geltende Recht und die bisherigen Möglichkeiten, die bei Wolfsschäden ausgeschöpft werden könnten. Doch das reiche nicht.
«Die betroffenen Kantone müssen vorausschauend und proaktiv reagieren können und die Wildhut soll einzelne Wölfe schiessen dürfen.» Die Kantone müssten aber auch bestimmen können, wie weit Herdenschutz zumutbar sei, mit welchen finanziellen Mitteln und welchen Arbeitskräften. Er stellt sich eine Wolfsbejagung vergleichbar mit der Steinbockjagd vor.
Kritik, aber keine Polemik
Von der Möglichkeit, sich direkt an Ständerat Stefan Engler zu wenden, machten viele Anwesende Gebrauch. Obwohl die Stimmung klar gegen den Wolf, die Behörden, die Beamten, Bundesbern und den Bundesrat ist, waren die Voten sehr gemässigt, die Forderungen aber klar. Die Bauern und die Bergbevölkerung wollen auch in Zukunft in den Bergen leben und ihre Tiere auf Heim-, Gemeinde- und Alpweiden lassen können. Das Wild soll nicht durch kilometerlange Weidezäune, die zum Schutze der Weidetiere errichtet werden, eingeschränkt werden.
Niemand forderte die Wiederausrottung des Wolfes. Dass man mit dem Wolf in Zukunft zusammenleben muss, ist den meisten klar. Doch es müsse möglich sein, ohne Angst vor dem Wolf auch in Zukunft Berglandwirtschaft betreiben zu können und da gehöre die Tierhaltung mit Weidegang dazu.
Zu wenig Unterstützung durch die Wildhut
Bereits heute werden verschiedene Alpen nicht mehr bestossen oder früher entladen. Alppersonal zu finden, wird immer schwieriger. Auch wurde direkt gesagt, dass man durch die Wildhut und das Amt für Jagd und Fischerei viel zu wenig unterstützt werde. Sehr oft bekomme man zu hören, man sei selbst schuld, dass es zu Rissen käme. Untersuchungen würden verschleppt und Tierkadaver entsorgt, selbst wenn noch eine Zweitmeinung oder Untersuchung gewünscht werde.
Der Arbeitsaufwand zum Schutze der Tiere enorm sei. Trotz vorhandenen Schutzmassnahmen würden fast täglich Tiere gerissen, das könne doch nicht sein. Für Stefan Engler war es wichtig, die Stimmung der Landwirte zu spüren, wie er sagte. Er wolle erfahren, wo die Ängste und die Bedenken der Bäuerinnen und Bauern sind.