Darin, dass die Massentierhaltungs-Initiative (MTI) verschiedene Probleme schaffen würde, sind sich Bundesrat und Nationalratskommission einig. Unter anderem seien ihre Vorgaben nicht mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar, es entstünde grosser administrativer Aufwand und Probleme wegen der Festsetzung der Vorgaben einer privaten Organisation (Bio Suisse) auf Ebene der Verfassung. Ausserdem verweist die Kommission in ihrer Mitteilung auf das Schweizer Tierschutzgesetz, das weltweit das strengste und mit den Tierhöchstbeständen pro Betrieb einzigartig sei.
Gegenvorschlag fragwürdig
Der Gegenvorschlag des Bundesrats überzeugt die WAK-N auch nicht. Er sei «fragwürdig», weil er dem bundesrätlichen Ziel der Ammoniakreduktion entgegenlaufe. Ausserdem fokussiere er primär auf die Rindviehhaltung. So sah er etwa eine Ausnahmeregelung für Mastpoulets vor, was von den Initianten besonders kritisiert worden ist.
Mit 14 zu 10 Stimmen fiel der Entscheid der WAK-N gegen den direkten Gegenvorschlag weniger klar aus als die Ablehnung der MTI. Nur fünf Kommissionsmitglieder sprachen sich für eine Annahme der Initiative aus, 14 dagegen und fünf enthielten sich.
Mehrheit will keine Alternative auf Gesetzesstufe
Da die zeitlichen Fristen knapp seien und die MTI kaum zurückgezogen werde, sprach sich die WAK-N auch in der Mehrheit gegen einen indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe aus. Ein solcher würde es ermöglichen, das Anliegen einer besseren Nutztierhaltung in der Schweiz ohne eine Änderung der Verfassung aufzunehmen. Er wäre in Kraft getreten, wenn die MTI an der Urne scheitert. Die Kommissionsminderheit werde einen indirekten Gegenvorschlag zur Stärkung von BTS und RAUS als neuen Kompromiss allerdings in den Rat tragen.
Hingegen kommt der direkte Gegenvorschlag des Bundesrats voraussichtlich gleichzeitig mit der MTI zur Abstimmung.
Fehlende Alternative bringe Imageschaden
Die Kleinbauern-Vereinigung (VKMB) sieht den Entscheid der WAK-N als verpasste Chance – insbesondere, weil sich sowohl eine Mehrheit der Kantone als auch die Gesellschaft der Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte für den Gegenvorschlag des Bundesrates ausgesprochen hätten. Die VKMB spricht sich für eine Lösung auf Gesetzesstufe (indirekter Gegenvorschlag) aus, um das Tierwohl unter Berücksichtigung einer standortangepassten Produktion und der ökologischen Tragfähigkeit zu fördern.
Aus Sicht der Vereinigung ist es wichtig, die MTI mit einer Alternative auf Ebene Gesetz an die Urne zu bringen. Andernfalls würde man in der Bevölkerung den Eindruck einer festgefahrenen und kompromisslosen Landwirtschaft festigen und Imageschäden verursachen. Wenn das Resultat einer Ablehnung der unbefriedigende Status Quo sei, würden die bestehenden Gräben in der Bevölkerung noch weiter aufgerissen, so die Befürchtung.
«Nachvollziehbarer und richtiger Entscheid»
Ein bereits bestehendes, strenges Tierschutzgesetz, die hohe Beteiligung an freiwilligen Tierwohlprogrammen, geregelte Höchstbestände pro Betrieb und ein funktionierendes Kontrollsystem machen die MTI nach Ansicht des Schweizer Bauernverbands (SBV) überflüssig. Ausserdem warnt er vor fehlender Wahlfreiheit für die Konsumenten und hohen Preisen für tierische Produkte bei einer Annahme sowie raumplanerischen Problemen wegen zusätzlicher Ställe.
Entsprechend ist der WAK-N-Entscheid nach Meinung des SBV «nachvollziehbar und richtig». Das gilt auch für die Ablehnung des Gegenvorschlags, der das Berggebiet empfindlich treffen würde, so der SBV. Auch habe darin eine Regelung für Importe gefehlt.
«Sowohl Initiative wie Gegenvorschlag würden die Emissionen von Treibhausgasen durch die Nutztierhaltung erhöhen», ergänzt der SBV. Daher hoffe man, dass der Nationalrat seiner Kommission folgen wird.
«WAK-N hat entschieden, den Handlungsbedarf zu ignorieren»
Dass auch der abgespeckte indirekte Gegenvorschlag in der WAK-N abgelehnt worden ist, wird von den Initianten der MTI scharf kritisiert. Die Kommission habe sich damit entscheiden, den Handlungsbedarf zu ignorieren. Den Entscheid gelte es nun, im Nationalrat zu kippen.
Die Verantwortlichen der MTI argumentieren in ihrer Mitteilung nicht nur mit dem Tierwohl, sondern auch dem Preisdruck, dem Bäuerinnen und Bauern ausgeliefert seien. Deren Wunsch nach einem möglichst guten Leben für ihre Tiere stehe aktuell im Gegensatz zum massiven Preisdruck durch ausländische Billigprodukte. Eben darum enthalte die MTI eine entsprechende Klausel, um die Schweizer Produktion zu schützen.
Einen guten Kompromiss abgelehnt
Die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) die MTI ab, weil sie die Nutztierhaltung in der Schweiz zu stark einschränken würde. Ausserdem führten grössere Haltungen auch zu einer Professionalisierung, die sich positiv auf das Tierwohl auswirken könne. Die Ablehnung des Kompromisses in Form des direkten Gegenvorschlags des Bundesrats durch die WAK-N sei aber unverständlich, heisst es in einer Mitteilung. Der Entwurf hätte einer breiten gesellschaftlichen Erwartung entsprochen, nämlich das Tierwohl zu verbessern, ist die GST überzeugt. Ausserdem sei er fachlich und ethisch begründet. Daher appellieren die Tierärzt(innen) an den Nationalrat, in der Wintersession den Kommissionsentscheid zu korrigieren.