Die Sommerferien neigen sich dem Ende zu und in sechs Wochen, am 25. September 2022, wird über die Massentierhaltungsinitiative (MTI) abgestimmt. Für das Berner Nein-Komitee ein guter Zeitpunkt, um vor den Medien, welche jedoch nur spärlich anwesend sind, die Gründe zu thematisieren, erklärt Hans Jörg Rüegsegger, Präsident Berner Bauernverband am Mittwoch 10. August 2022. Auf dem Hof der BG Familie Dürig in Herzwil, Gemeinde Köniz, zeigen mehrere Referenten die Auswirkungen auf, welche die Annahme der Initiative hätte.
Zudem stellte sich Hans Jörg Rüegsegger im Anschluss an die Veranstaltung in einem Kurzinterview den Fragen der BauernZeitung.
Die Schweinefleischproduktion wäre in Gefahr
Der Betrieb BG Familie Dürig in Herzwil ist Schauplatz der Medienkonferenz gegen die Massentierhaltungs-Initiative (MTI). Dominik Dürig stellt den Hof vor. Auf dem Familienbetrieb werden Mastschweine und Aufzuchtrinder gehalten. Ausserdem wird eine kleine Pferdepension geführt. Auf den Ackerflächen gedeihen Getreide, Raps, Mais und Kunstwiese.
Regionalität wird gelebt
Das Hauptstandbein ist die Mast von 800 Schweinen nach dem IP-Suisse-Label. Sämtliche Mastjager werden aus der Region bezogen. Der Transport der Jungtiere auf den eigenen Hof und später zur Schlachterei in Courtepin wird selbst erledigt. «Das ist das Optimum für unsere Tiere», erklärt Dominik Dürig. Auch beim Futter setzt die Familie auf Regionalität. Rund 50 Prozent wird selbst hergestellt. Der Restbedarf an Futtergetreide wird von angrenzenden Betrieben bezogen.
Auswirkungen und Folgen
Die Annahme der MTI würde einen starken Rückgang der Schweinehaltung auf dem Betrieb Dürig bedeuten, da keine kostendeckende Produktion mehr möglich wäre. Dominik Dürig erklärt, dass die verlangte einheitliche Produktion nach Biostandard höhere Verkaufspreise für Fleisch verursache. Dies schränke die Wahlfreiheit des Konsumenten ein, ein Verkaufsrückgang an heimischem Schweinefleisch wäre zu erwarten. Mehr Importe und Einkaufstourismus von Billigfleisch wären die Folgen. Bereits jetzt wird mehr Biofleisch produziert, als die Kundinnen bereit sind zu bezahlen. Vielen Schweizer Bürgern sei das Biofleisch bereits jetzt zu teuer. [IMG 2]
Franz Guillebeau sitzt bei Suisseporcs im Vorstand. Er macht deutlich, dass nur zwei von 100 Konsumenten Bio-Schweinefleisch kaufen. Wird die MTI angenommen, habe er nicht erst nach der 25-jährigen Übergangsfrist ein Problem, sondern bereits am Montag nach der Abstimmung. Der Bau eines Auslaufs sei auf seinem Betrieb aus Platzgründen unmöglich. Daher befände sich sein Schweinezuchtbetrieb bereits in der Übergangsfrist zur Stilllegung und wäre nur noch die Hälfte wert. Nebst den Schweinehaltern wären auch Geflügelhalter besonders stark von der Initiative betroffen. [IMG 4]
Viele Arbeitsplätze in Gefahr - nicht nur in der Landwirtschaft
Maël Matile, Vize-Präsident Eibag (Berner Eierproduzenten) und Eierproduzent aus Gutisberg, erklärt, dass verschiedene Berechnungen davon ausgehen, dass sich der Preis für ein Ei bei Annahme der MTI praktisch verdoppeln wird. Um dieselbe Menge Eier zu produzieren, müssten 1300 neue Ställe mit jeweils 2000 Legehennen erstellt werden. Dies zu ermöglichen, dürfte aus raumplanerischer Sicht schlicht unmöglich sein. Matile macht auch deutlich, dass nicht nur Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, sondern auch in vor- und nachgelagerten Sektoren gefährdet wären. Und nicht zuletzt sei der anfallende Mist der Hühner wertvoller Dünger für Ackerbaubetriebe und deren Pflanzen. [IMG 7]
Der Selbstversorgungsgrad wird weiter sinken
Jürg Bärtschi vom Vorstand Schweizer Geflügelproduzenten weiss, dass Schweizer(innen) jährlich 14,5 kg Pouletfleisch konsumieren. Die Annahme der MTI würde den heutigen Versorgungsgrad von 58 % auf etwa 5 % senken. «Migros und Coop haben bislang in ihren Hauszeitungen nicht über die Auswirkungen informiert», bemängelt er und hofft, dass das noch passiert. [IMG 8]
Die Meisterlandwirtin Nicole Mühlestein aus Belp hält auf ihrem Biobetrieb 600 Legehennen. Sie erfüllt bereits jetzt die Anforderungen der MTI, ist aber trotzdem dagegen. Sie kann ihre Tiere so halten, weil sie die Eier direkt vermarktet und ihre Kundinnen bereit sind, die höheren Preise zu bezahlen. Sie ist aber überzeugt, dass die MTI nicht zu mehr Tierwohl führen wird, sondern nur die Produktion ins Ausland verlagert, nach dem Motto «Aus den Augen aus dem Sinn». [IMG 5]
Importe auf Kosten armer Länder
Auch Ständerat Werner Salzmann ist in Herzwil zugegen. «Unabhängigkeit und Ernährungssicherheit sind nicht selbstverständlich», macht er deutlich. Ausserdem werde das Klima mit geringerer Mast von Hühnern und Schweinen nicht gerettet. Im Gegenteil. Mehr Ställe würde die Grünfläche zu Ungunsten des Klimas verkleinern. Ausserdem kann das Hügel- und Berggebiet ohne Tiere, die das Gras veredeln, keine Lebensmittel produzieren. Denn: «Ich habe noch niemanden gesehen, der Gras im Laden kauft.» [IMG 6]