«Die Menschen möchten offenbar mit der richtigen Landwirtschaft die Welt retten», sagte Markus Ritter zum Auftakt der Delegiertenversammlung (DV) des Schweizer Bauernverbands (SBV) vom 18. November 2021. Das war sein Fazit, nachdem er einen Teil der hängigen Vorstösse aufgezählt hatte: Massentierhaltungs-, Biodiversitäts-, Gletscher- und Umweltverantwortungs-Initiative. Möglich sei auch eine weitere Pestizid-Initiative, so Ritter und bei den Kuhhörnern sei ein solcher Schritt auch nicht ausgeschlossen. Insgesamt, so ergänzte später Martin Rufer, seien derzeit 22 Volksinitiativen hängig.
«Es ist nie genug»
[IMG 3] Im Vordergrund stand an der DV der Rückblick auf die Agrar-Initiativen und der Ausblick auf die Massentierhaltungs-Initiative (MTI). Dass die grossen Anstrengungen und die gemachten Fortschritte so wenig Würdigung erfahren, sorge bei den Bauernfamilien für Frustration, sagte Markus Ritter. «Wir können so viel tun, wie wir wollen, es ist sowieso nie genug», sei der Eindruck, der entstehe.
Durch die MTI werde dieser Eindruck noch verstärkt. «Hier haben wir die paradoxe Situation, dass wir Bauernfamilien mehr Labelprodukte mit höheren Tierwohlstandards bereitstellen, als wir auch als solche verkaufen können», so Ritter. Deshalb stehe die Forderung der Initianten quer in der Landwirtschaft. Sie kurbelten mit dieser den Einkaufstourismus an. Das einzige, was er den Initianten zugutehalten könne, so Ritter, sei, dass die Initianten dieselben Anforderungen für die Importe wollten. Allerdings werde die Schweiz nie solche Anforderungen an die Importe durchsetzen können oder wollen, da es für die Wirtschaft als Ganzes nicht tragbar wäre, aus den internationalen Handelsverpflichtungen auszusteigen.
Viele Zielkonflikte
Ritter erinnerte auch daran, dass die MTI paradoxe Auswirkungen haben könnte, welche die Widersprüchlichkeit der Begehren aufzeige: Die MTI möchte weniger Tiere pro Betrieb. Um nun die gleiche Menge an Eiern und Geflügelfleisch produzieren zu können, müsste man laut Ritter Tausende von zusätzlichen Ställen errichten, während die Landschafts-Initiative neue Gebäude in der Landwirtschaft verunmöglichen wolle. Solche Zielkonflikte gebe es in der Landwirtschaft viele.
20'000 neue Mobilställe?
Michel Darbellay informierte über den aktuellen Stand der Kampagnen-Vorbereitung gegen die MTI. Er wies zuerst darauf hin, dass eine Zustimmung einen starken Rückgang bei der Produktion zur Folge hätte. Am stärksten bei der Geflügelproduktion, die um 80 Prozent reduziert würde. Es sei denn, man baue 1600 neue Hühnerställe und stelle 20 000 neue Mobilställe für Mastpoulets in die Landschaft. Eine erneute starke Mobilisierung sei wichtig, um das Ansinnen zu stoppen.
Martin Rufer erinnerte an den politischen Stand der Dinge inSachen MTI. Diese steht kurz vor der Behandlung im Nationalrat in der Wintersession. Im Frühjahr beugt sich dann der Ständerat über das Volksbegehren. Der realistische Abstimmungstermin sei November 2022. Ziel der Kampagne sei wie schon bei den Agrar-Initiativen eine frühe Präsenz in der Öffentlichkeit.
Aufruf zur Geschlossenheit
Martin Rufer appellierte an die Delegierten, man möge geschlossen agieren, die ganze Landwirtschaft sei betroffen. Wenn die Tierhaltung eingeschränkt werde, steige der Produktions-Druck in den Spezialkulturen, warnte er. Zudem müsse man davon ausgehen, dass wenn – wie von der MTI vorgesehen – Biorichtlinien in die Verfassung geschrieben würden, dasselbe kurz danach auch für den Pflanzenbau komme.
Erste Emoji-Kampagne
Martin Rufer stellte erstmals die Kampagne gegen die MTI vor. Fünf Agenturen haben Vorschläge eingereicht und man habe sich einstimmig auf die nun ausgewählten Sujets geeinigt, sagte er.
Im Mittelpunkt stehen sogenannte Emojis, die normalerweise als mehr oder weniger lachende Smileys in SMS und anderen Nachrichten versandt werden. Diese würden erstmals in einer politischen Kampagne verwendet. Was den Leitspruch, den sogenannten Claim angeht, sind offenbar die Würfel noch nicht defintiv gefallen. Dieser lautet auf den vorgestellten Sujets «Nein zur schädlichen Tierhaltungsinitiative», im Rennen ist aber auch noch «Nein zur unnötigen Tierhaltungsinitiative», war am Rande der Veranstaltung zu erfahren.
Wird es eine AP 29+?
Kurz thematisiert wurde auch der aktuelle Stand in der agrarpolitischen Auseinandersetzung. Hier betonte Francis Egger zum wiederholten Mal, dass die beschlossenen Absenkpfade teilweise unakzeptable Forderungen enthielten. Zur Zukunft der AP erklärte er, dass es bis 2029 dauern könnte, bis eine neue AP vorliegt.
Stark beschäftigt hat den Verband auch das Thema Schleppschlauch. Die nötige Technik stehe nicht im nötigen Mass zur Verfügung und die Umsetzung sei nicht klar, rekapitulierte Martin Rufer. Er zeigte sich dankbar, dass der Bundesrat die Argumente aufgenommen hat.
Zur Sprache kam auch die Sensibilisierungskampagne für die soziale Absicherung in der Landwirtschaft. Ihr Ziel: Jede Bäuerin und jeder Bauer setzt sich aktiv mit dem Thema auseinander, so Peter Kopp vom SBV.
Im Weiteren ging es auch um die Finanzierung des Verbandes. Hier wurde soeben festgelegt, wie die produktbezogenen Beiträge für 2022-25 verteilt werden. Dabei fand man einen Kompromiss mit dem Weinbauernverband, der aufgrund des schwierigen Weinjahres etwas weniger zahlen muss.
Abschied von Hans Frei
[IMG 2] Die DV wählte zudem Jeanette Zürcher-Egloff aus Edlibach ZG und Damien Humbert-Droz aus Corcelles NE in den Vorstand. Sie ersetzen dort Ursula Egli, die nach ihrer Wahl in die Exekutive der Stadt Wil SG demissioniert hat, sowie Dominique Maigre.
[IMG 4] Verabschiedet wurde auch der im Vorstand bereits vor Jahresfrist durch Nationalrat Martin Haab ersetzte Zürcher Hans Frei. Markus Ritter bezeichnete ihn als «absolutes Schwergewicht im Vorstand». Er einer der ausgewiesensten Strategen und Taktiker im politischen Betrieb. Daneben gebe es viele Politiker(innen), welche in diesen Bereichen wenig Fähigkeiten hätten und sich dann wunderten, dass sie erfolglos bleiben.
Den Medienpreis des Schweizer Bauernverbands für die Deutschschweiz holte sich der Journalist Andreas Valda von der «Handelszeitung». Der Titel seines Artikels: «Bauern investieren und riskieren viel».
Zum Abschluss warf Urs Schneider einen Blick zurück auf die erfolgreiche Abstimmungskampagne gegen die Agrar-Initiativen. Er sprach der versammelten Branche den Dank aus für ihren grossen Einsatz. Markus Ritter erklärte, der klare Erfolg der Nein-Kampagne sei in Bundesbern sehr genau registriert worden.