An der Strohballenarena am 23. August 2022 in Neunkirch wurde differenziert über die Massentierhalutngs-Initiative (MTI) diskutiert. Andrea Müller, Meisterbäuerin und Präsidentin der Schaffhauser SVP, freute sich, dass von der Ja- wie auch von der Nein-Seite je zwei Experten verbal die Klingen kreuzen würden.
Gehör für beide Seiten
So sassen auf dem Haldenhof rund 100 vorwiegend bäuerliche Gäste den fünf Hauptakteuren des Abends gegenüber:
- Dr. Franca Burkhard, Moderatorin, Frauenfeld
- Laura Spring (Pro), Kantonsrätin Grüne LU, Agronomin, Luzern
- Kurt Brunner (Pro), Umweltnaturwissenschaftler, Meisterlandwirt, Co-Betriebsleiter Demeter-Hof, Hallwil (AG)
- Mike Egger (Contra), Nationalrat SVP, Metzger, Büezer, St. Gallen
- Christian Müller (Contra), Meisterlandwirt, Fleischproduzent, Thayngen
Vertreterin und Vertreter der Ja-Seite gehören beide nicht dem Gründungskomitee der Initiative an. Aber sie unterstützen die MTI. Laura Spring sah darin eine Entwicklung der Landwirtschaft in die richtige Richtung. Weniger Tiere bedeuten weniger Umweltbelastung. Werden nur noch nach Schweizer Standards produzierte tierische Lebensmittel importiert, entlastet dies die hiesige Landwirtschaft von der Konkurrenz ausländischer Billigproduzenten.
Brunner sah in der Initiative vor allem eine Chance, die aktuelle Landwirtschaft, aber auch die Macht und das marktsteuernde Handeln der Grossverteiler kritisch zu hinterfragen.
«Wir haben kein Problem mit der Massentierhaltung, sondern mit den Tiermassen.»
Kurt Brunner, Meisterlandwirt aus Hallwil AG und Befürworter der MTI
Die MTI würde die Tierzahl senken und damit die Nachhaltigkeit fördern.
Gegner warnen vor Abhängigkeit vom Ausland
Mike Egger und Christian Müller stellten den Wert einer hohen Ernährungssicherheit in den Vordergrund. Sie warnten vor der steigenden Abhängigkeit vom Ausland bei tierischen Produkten durch die MTI. Gerade die aktuelle Lage mit Krisen und Lieferengpässen beweise, dass dies nicht der richtige Weg sei. Egger als Kenner der Fleischbranche stellte klar, dass die in der MTI vorgesehene Importbeschränkung von nicht nach MTI-Standard produziertem Fleisch nicht WTO-konform sei und damit rechtlich nicht haltbar. Die Schweiz sei zudem ein viel zu kleiner Player auf dem internationalen Fleischbeschaffungsmarkt, um Forderungen stellen und Kontrolleure in andere Länder schicken zu können.
Auch Bio ist auf Hofdünger angewiesen
Christian Müller hob unter anderem den Wert des Hofdüngers hervor. Mist und Gülle seien wichtige Ressourcen des natürlichen Kreislaufs – von der auch Biobetriebe ohne Tierhaltung profitieren. Die grössten Abnehmer des Gärdüngers seiner Bioanlage seien Biobetriebe, insbesondere Bio-Gemüseproduzenten. Er wehrte sich gegen den Vorwurf, dass Hofdünger für die Umwelt nicht nachhaltig sei. Zudem verwies er darauf, dass die MTI eine «Bevölkerungserziehungs-Initiative» sei.
Das Entstehen einer Zweiklassengesellschaft durch eine allfällige Preiserhöhung der tierischen Produkte durch die MTI wurde kontrovers gesehen. Franca Burkhardt brachte die Diskutierenden aber immer wieder zur Sachlichkeit zurück und hakte mit spannenden Fragen nach.
Ein falsches Bild von der Landwirtschaft
Allen Diskutierenden stand zudem nach über einer Stunde Schlagabtausch ohne Langeweile ein Schlusswort zu. In seinem Plädoyer für die produzierende Landwirtschaft monierte Christian Müller etwa die fehlenden landwirtschaftlichen Kenntnisse vieler Parlamentarier(innen) und hielt fest: «Ich bin der Meinung, wir hätten einen Markt. Aber wir sind so verstaatlicht, dass man morgen schon wieder umbauen muss, bevor der Beton, den man gestern ausgebracht hat, trocken ist.» Irgendwann sei einfach Schluss mit dem Treiben.
«Das ist eine Hetzjagd gegen die Landwirtschaft.»
Christian Müller, Landwirt aus Thayngen SH und Gegner der MTI
Herausforderung Klimakrise
Laura Spring hakte in ihrem Schlussvotum bei Christian Müller ein: «Auch mich beschäftigt das Thema Planungssicherheit.» Die grosse Herausforderung für die Landwirtschaft in den nächsten Jahren sei jedoch die Klimakrise und die Erhaltung der Lebensgrundlagen. Die Auswirkungen der Initiative würden nur einen sehr kleinen Teil der Betriebe betreffen. «Die Initiative stärkt die Schweizer Landwirtschaft, weil sie gleich lange Spiesse mit den ausländischen Produzentinnen schafft.»
Kurt Brunner legte Gewicht auf den Dialog. Die Initiative sei eine weitere Gelegenheit, mit Leuten zu reden, die nicht viel mit der Landwirtschaft zu tun hätten. «Ich wünsche mir, dass jeder Bauer seine Arbeit mit Überzeugung macht und sich auch etwas dabei überlegt.» Das sei nicht überall so. Es gebe Bauern, die zu Hause noch ein paar Tiere hätten, den ganzen Tag auswärts arbeiten und die Direktzahlungen auf dem Betrieb seien optimiert.
Auf dem Erreichten aufbauen
Mike Egger fasste als letzter Redner zusammen: «Zum ersten müssen wir die Administration, die der Landwirtschaft aufgezwungen wird, endlich abbauen.» Es könne nicht sein, dass die Landwirtschaft mehr reguliert ist als der ganze Strommarkt. «Wir müssen an dem Weg weiterarbeiten, den wir sehr erfolgreich miteinander gegangen sind. Das ist der QM-Standard, bei dem wir jetzt verschiedene Programme vom Staat aus haben. Das sind die verschiedenen Labelprogramme, die wir miteinander so weiter entwickeln, dass wir Planungssicherheit haben.»
Und warum haben Martin Müller und sein Bruder die Tore für diesen Anlass geöffnet? «Wir machen die Türen für die Strohballenarena auf für einen Ort, an dem man zusammenkommen und diskutieren kann, weil uns diese Diskussion mit unserem vielseitigen Betrieb sicher betrifft», schilderte der Landwirt. Die Zukunft und die wirtschaftliche Existenz stünden bei dieser Abstimmung auf dem Spiel.