«Das müssen wir ändern», steht auf der Website der Initianten der Massentierhaltungs-Initiative (MTI). Gemeint ist der Trend hin zu «industriellen Grossbetrieben, die traditionelle Höfe zunehmend verdrängen und das Tierwohl systematisch missachten», wie es weiter heisst.
Nutztierhaltung würde zu stark eingeschränkt
Man erachte es als notwendig, dass das Tierwohl künftig mehr Beachtung erhält, heisst es in einer Stellungnahme der Gesellschaft Schweizer Tierärzte (GST). Daher hatte die Gesellschaft den direkten Gegenvorschlag des Bundesrats unterstützt, der die bisher freiwilligen Tierwohl-Programme BTS und RAUS weitgehend obligatorisch machen wollte. Der Schweizer Bauernverband hatte daran insbesondere bemängelt, dass die Vorlage Importe nicht berücksichtigte und das Parlament hat den bundesrätlichen Gegenvorschlag verworfen. Die MTI selbst aber geht der GST zu weit, sie würde die Nutztierhaltung in der Schweiz aus ihrer Sicht zu stark einschränken.
Dafür, aber nicht am Abstimmungskampf beteiligt
Anders sieht es beim Schweizer Tierschutz STS aus. Der STS hätte zwar – wie die GST – einen Kompromissvorschlag begrüsst, entweder in Form eines direkten (auf Ebene Verfassung) oder indirekten Gegenvorschlags (auf Gesetzesebene). Da das Parlament der Idee eines «Aufbaupfads Tierwohl» aber in den Beratungen zum indirekten Gegenvorschlag wie auch jüngst die Ständeratskommission in der Diskussion um die AP 22+ eine Absage erteilt hat, unterstützt der STS nach eigenen Angaben die MTI. Der STS stellt einen Trend in Richtung einseitig auf Leistung und Effizienz getrimmte Tierhaltung fest, die bei einigen Tierkategorien zu «massiven tierschützerischen Problemen» führe. Man werde sich aber nicht am Abstimmungskampf beteiligen, sondern eigene Aktivitäten gegen die Massentierhaltung und für mehr Tierwohl finanzieren, so eine Stellungnahme des STS. In erster Linie seien dabei Markt und Konsum im Fokus, mit der Absatzoffensive und der Sensibilisierungskampagne «Weniger Fleisch – dafür aus tiergerechter Haltung». Ausserdem schlägt der STS eine Kommunikationsoffensive in Zusammenarbeit mit Detailhandel, Gastronomie und Tierhalter(innen) vor, um im Zusammenhang mit «Qualzuchten» die Leistung der Tiere «wieder in für sie erträgliche Bahnen zu lenken». Dazu sind auch zwei Vorstösse von Martina Munz (SP/SH) und MTI-Initiantin Meret Schneider (Grüne/ZH) hängig. Erstere fordert eine rasche Einflussnahme des Bundes auf die Geflügelzucht, Schneider will «Qualzuchten» in der Hühnermast gesetzlich verbieten.
Verletzungen liessen sich in Einzelhaltung minimieren
Bei der Massentierhaltungs-Initiative (MTI) liegt ein Schwerpunkt auf der Haltung von Geflügel, da dort die grössten Herden vorkommen. Damit zu argumentieren, eine Haltung nach Bio-Richtlinien würde verletzte oder verendete Tiere verhindern, macht aus Sicht von Franz Renggli aber überhaupt keinen Sinn. Der Tierarzt ist Präsident der Fachsektion Geflügelmedizin bei der Gesellschaft Schweizer Tierärzte (GST) und sagt auf Anfrage der BauernZeitung: «Wenn man die Zahl verletzter Tiere minimieren möchte, müsste man sie in Einzelkäfigen halten und im Fall von Zucht ausschliesslich mit künstlicher Befruchtung arbeiten.»
Ein Beispiel sind Elterntiere von Mastgeflügel, bei denen die Hähne durch häufige Begattungsversuche die Hennen mit Schnabel und Krallen verletzen. Die Hähne seien rassenbedingt viel zu schwer und der fehlende Auslauf führe zu Stress, der sich in aggressivem Verhalten niederschlage, so die Kritik von Tierschutzaktivisten. «Verletzte Hennen in Elterntier-Betrieben haben weder mit dem Gewicht noch der Rasse zu tun», versichert Franz Renggli.
Ein Risiko natürlichen Verhaltens
Auch in der Haltung nach den Richtlinien von Bio Suisse mit Auslauf komme so etwas vor, wo langsamer wachsende Geflügelrassen zum Einsatz kommen. Es handle sich im Übrigen nicht um einen Management-Fehler. Wie häufig verletzte Tiere auftreten, hänge aber von biologischen Gesetzen und dem Management ab. Sobald man den Tieren mehr Platz gebe, komme es auch zu häufigeren Interaktionen und Verletzungen seien – durch das natürliche Verhalten – nicht zu vermeiden. «Tiere, die in Gruppen zusammenleben, können einander verletzen», konstatiert Renggli. Dass die MTI aus tiergesundheitlicher Perspektive in dieser Hinsicht bei Geflügel eine Verbesserung bringen würde, sei nicht der Fall – Tatsächlich ist es laut Renggli erwiesen, dass es bei höheren Besatzdichten weniger Verletzungen gebe: «Weniger Bewegungsfreiheit bedeutet auch, weniger Möglichkeiten für (aggressive) Interaktionen.»
Wolle man Verletzungen ausschliessen, dürfe man entweder keine Hühner halten, müsste sie in Einzelkäfige sperren oder aber ihre Biologie und Physiologie ändern. Konkret anders ausgedrückt heisse das: «Zur natürlichen Begattung braucht es direkten physischen Körperkontakt. Jeder direkte Körperkontakt birgt potenziell immer ein gewisses Verletzungsrisiko», führt Franz Renggli aus. So genüge eine ungünstige Abwehrbewegung der Henne zum Beispiel, damit beim Tretakt die Henne am Kamm, Rücken oder Schenkel verletzt wird.
Mit Schockbildern für die MTI
Kürzlich haben sowohl Tier im Fokus (TIF) als auch Greenpeace mit Aufnahmen, die das Tierleid in Schweizer Ställen zeigen sollen, für eine Annahme der MTI geworben. Im Falle des TIF waren es nach eigenen Angaben Bilder und ein Video von Hähnen und Hennen in einem Walliser Micarna-Elternpark, wo Küken für die Pouletmast gezüchtet werden. Greenpeace präsentierte Szenen aus einem Schweinestall und einer Pouletmast-Halle, die enge Platzverhältnisse, hohen Fliegendruck, ein Schwein mit entzündeten Augen und einen Hühnerkadaver zeigen.