Das Bauernhaus steht inmitten von blühenden Hochstammbäumen vor einem klischeehaften Bergpanorama. Der Bauer mit Pfeife im Mund schreitet mit zielstrebigem Schritt in Richtung eines länglichen Schopfes über die Wiese und tritt hinein.
Es ist eine Szene im St. Galler Rheintal. Wie saftig grün die Wiese und wie knallgelb der Löwenzahn, der darauf blüht, kann man sich nur ausmalen. Denn das Video, grau in grau, wurde in den sechziger Jahren gedreht. Der Mann mit Pfeife ist Emil Hardegger, Landwirt und Seiler, der längliche Schopf eine Seilerei. SRF porträtierte ihn und sein Handwerk in der Sendung «Für Stadt und Land» vom 14. August 1966.
Als der Hanf noch selber angebaut wurde ...
1966, als die Sendung aufgenommen wurde, war es jedoch nicht mehr so. Emil Hardegger kaufte den Rohhanf, aus dem er die Seile fertigte, zu. Zuerst musste er diesen hächeln, also kämmen. Dazu dient der Hächelbock, den er mit zwei handgeschmiedeten Haken am Boden befestigt. Der Hanf wird immer wieder von Hand durch den Kamm gezogen und dadurch fein und glatt wie Seide.
Eine Arbeit für Zwei
Mit der Hanfschnur werden dickere Seile hergestellt, zum Beispiel für «Chalberhälslig», also Halfter für Kälber, oder auch für längere Seile. Doch das hat seine Tücken. Die Seilerbahn ist dafür zu wenig lang und so muss Emil Hardegger seinen Arbeitsplatz nach draussen verlegen. Wie das aussieht? Schauen Sie sich das Video an:
So sieht der Betrieb heute aus
Den länglichen Schopf mit der Seilerei gibt es heute nicht mehr. Er ist 2003 abgebrannt, sagt Anita Hardegger gegenüber der BauernZeitung. Sie und ihr Mann Peter Hardegger führen heute den Betrieb mit Milchvieh und Geflügelmast in Gams. Den Schopf mit der Seilerbahn wieder aufzubauen, hätte sich nicht mehr gelohnt, sagt sie. Emil und Therese Hardegger, die im Video zu sehen sind, waren die Grosseltern von Peter Hardegger.
Die Seilerei wurde aber immer noch benutzt, bevor sie den Flammen zum Opfer fiel. Beat Hardegger war der Schwiegervater bzw. Vater von Anita und Peter Hardegger. Er habe auch damals immer noch Aufträge, hauptsächlich für Kuh-Halfter, gehabt. Mit einem Ofen heizte er den Schopf, um bei angenehmen Temperaturen arbeiten zu können, was wohl der Seilerei zum Verhängnis wurde und den Brand auslöste, vermutet Anita Hardegger.