Solche Zahlen sind in der Schweizer Landwirtschaft kaum vorstellbar: 1280 Milch-kühe sowie 680 Rinder und Kälber halten Martin und Linsey Furrer. Dies auf zwei Höfen. Die Hauptfarm ist 312 Hektaren gross, die zweite 168. Möglich ist das auf Neuseelands Südinsel in der Region Canterbury. Diese ist bekannt für ihre weitläufigen und flachen Felder, die zwischen der Ostküste und den neuseeländischen Alpen liegen.

Den Baselbieter aus Aesch zog es nach seinen beiden Lehren zum Landwirt und Kaufmann mit 22 Jahren zum ersten Mal nach Neuseeland. Dort arbeitete er auf einem Bauernhof, wo er auch seine spätere Frau kennenlernte. Nach längerer Zeit in der Schweiz entschied sich das neuseeländisch-schweizerische Ehepaar im Jahr 2003, in die Heimat der Frau auszuwandern. «In der Schweiz hatten wir fast keine Möglichkeit, einen eigenen Hof zu erwerben, da meine Eltern keine Bauern sind. Ich bin mit Herzblut Landwirt. Deshalb haben wir uns damals gesagt, wir würden es bereuen, wenn wir es nicht versuchen würden», begründet der 50-Jährige im Gespräch mit der BauernZeitung den Schritt.

Sintflutartige Niederschläge

Nach drei Jahren als «Sharemilker» auf der Nordinsel ergab sich für das Paar die Möglichkeit, die Farm eine Stunde südlich von Christchurch, die sie auch heute noch führen, zu übernehmen. «Das war eine riesige Veränderung, weil der Betrieb so gross ist. Wir sind ins kalte Wasser gesprungen,» erklärt er. Eine Mischung aus Naivität und Motivation habe sie dazu bewogen. «Zudem war es immer ein Traum von mir, einmal einen grossen Betrieb zu übernehmen.» Eine Anleitung, wie man einen solchen Hof führt, gebe es keine. «Denn die Farm ist selbst für neuseeländische Verhältnisse gross,» sagt der Basler.

Die grösste Herausforderung sei es, alles unter Kontrolle zu haben, wenn das Wetter mal verrückt spielt, da die Tiere – wie in Neuseeland üblich – immer im Freien sind. So wie etwa im vergangenen Mai, als die Gegend von sintflutartigen Niederschlägen heimgesucht wurde. Innerhalb von 24 Stunden fielen 350 Millimeter Regen – mehr als die Hälfte des jährlichen Niederschlags von 600 Millimetern. «Die Gesundheit der Tiere litt. Und ihr Futterkonsum stieg wahnsinnig an, da sie einen hohen Energiebedarf hatten», blickt Martin Furrer zurück. Ansonsten habe es auf seiner Farm nur wenig Schaden gegeben. Zwar seien die Weiden überschwemmt worden, das Wasser sei aber schnell wieder abgeflossen.

Grosse Bewässerungsanlage

Seit 15 Jahren sind Martin und Linsey Furrer nun Inhaber der Farm, wobei noch zwei weitere Investoren Anteile haben und sechs Angestellte den Furrers bei der täglichen Arbeit unter die Arme greifen. Die Tiere – hauptsächlich Friesian- und Kiwi-Cross-Kühe – verbringen zehn von zwölf Monaten auf der Hauptfarm, wo sie vor allem Gras fressen. Die restlichen zwei Monate sind sie auf der zweiten, kleineren Farm anzutreffen, wo der Auslandschweizer auf je 30 Hektaren Gerste, Futterrüben und Grünkohl anpflanzt. Dies, weil während des Winters kein Gras wächst.

Wichtig sind auf dem Hof die Bewässerungsanlagen, wie der Vater von drei Kindern im Teenageralter erklärt. Die riesigen mobilen Maschinen sind mehrere hundert Meter lang und fahren in grossen Kreisen über das Feld. Ähnliche Anlagen sind in der Region quasi auf jedem Betrieb anzutreffen. Denn: «Ohne sie könnten wir hier keine Graswirtschaft betreiben», sagt Martin Furrer. Die Bewässerungsanlagen entnehmen das Wasser aus diversen Flüssen, die von den Bergen über das flache Land ins nahegelegene Meer fliessen. Dort, im alpinen Hinterland von Canterbury, regnet es um ein Vielfaches mehr als im Flachland.

36 000 Liter Milch

«Wasser ist hier wie Gold», sagt der Baselbieter, der seines Wissens der einzige Schweizer Landwirt in der Gegend ist. Die Entnahme werde stark kontrolliert und reguliert. Vor allem in den vergangenen zehn Jahren seien viele Vorschriften dazugekommen. Dies habe damit zu tun, dass die Region landwirtschaftlich mittlerweile sehr intensiv genutzt werde. Eine Fahrt durch die Weiten von Canterbury zeigt dies eindrücklich auf. Milch- und Ackerbaufarmen, soweit das Auge reicht. Immer präsent: Die Bewässerungsanlagen.

Das zweite Herzstück seines Betriebs ist das brandneue Melkkarussell. Damit kann Martin Furrer gleichzeitig 80 Kühe abfertigen. Bis zu 36 000 Liter Milch melken er und seine Angestellten jeden Tag. Auch das sind Verhältnisse, die so in der Schweiz kaum vorstellbar sind. Für Martin Furrer aber ist es Alltag. Für ihn ist der riesige Betrieb eine Herausforderung, die ihn auf Trab hält. «Das macht mir grossen Spass.»

Zur Person:
Matthias Stadler stammt aus Brunnen SZ. Der 34-Jährige hat an der ZHAW in Winterthur Journalismus studiert und danach über fünf Jahre bei der «Luzerner Zeitung» als Redaktor gearbeitet. Seit Anfang 2020 lebt er mit seiner neuseeländischen Frau in ihrer Heimat und schreibt als Korrespondent für verschiedene Deutschschweizer Zeitungen. Seine Freizeit verbringt Matthias Stadler am liebsten in der Natur.