Der Winter ist definitiv im Norden Albertas angekommen. Das bisherige Rekordtief war minus 40 °C, berechnet man die Windgeschwindigkeit mit ein, sind es gefühlt minus 49 °C. Wir haben uns mittlerweile an eine gewisse Kälte gewöhnt. Aber diese arktischen Temperaturen kann man glaube ich nur als Inuit wirklich tolerieren.

Wenn das Thermometer solche Zahlen anzeigt, hat man zudem das Gefühl, dass draussen bald ein Eisbär vorbei zotteln müsste. Die Kühe tun mir leid. Wir können nicht mehr tun, als mehr Heu zu füttern und Stroh auszustreuen, sodass sie einen trockenen Platz zum Liegen haben.

Halbwilde Kühe brauchen keinen Stall

Für 315 halbwilde Kühe können wir keinen Stall bauen. Und die meisten würden ohnehin nicht in diesen gehen wollen. Die Kühe kennen diese tiefen Temperaturen und sind ein Stück weit an die Kälte gewöhnt. Bei schlechtem Wetter und extremer Kälte füttern und streuen wir jeweils auf den Lichtungen und am Rande des Waldes, sodass die Kühe zumindest etwas Windschutz haben.

Auch die Salzbecken stehen immer im Schutz der Bäume, um den Kühen einen Grund zu geben, im Windschatten zu stehen. Wenn es nicht ganz so kalt ist, füttern wir die Kühe auf dem offenen Feld, damit sie in der Sonne stehen können.

«Nach den minus 40 °C fühlen sich minus 10 °C herrlich mild an.»

sagt Alexandra Ruckstuhl über den Winter in Kanada. 

Das Schöne an Alberta ist, dass, wenn es nicht gerade schneit oder regnet, meist die Sonne scheint und man den scheinbar endlosen blauen Himmel geniessen kann, wobei mittlerweile das Tageslicht ein wertvoller Schatz ist, den man hüten will wie einen seltenen Diamanten.

Die Sonne steht extrem tief am südlichen Himmel, taucht erst gegen 8.30 Uhr richtig auf und ist bereits um 16 Uhr schon wieder verschwunden. Hell ist es zwar etwas länger, aber mehr als neun Stunden natürliches Licht bekommen wir momentan nicht. Wir zählen die Tage bis zur Wintersonnenwende, wenn wir den kürzesten Tag haben.

Teamwork bedeutet einander aushelfen

Nach dem vielen umzugsbedingten Heben und Möbelschleppen macht Markus’ Rücken mal wieder Probleme. Er hat, wie viele Landwirte und Zimmermänner, immer wieder Rückenschmerzen. Es ist halt trotz Mechanisierung noch immer ein körperlich anspruchsvoller Job. Obwohl er täglich Dehnübungen und Aufbautraining macht, kommt es alle paar Jahre vor, dass er für einige Tage oder Wochen teilweise ausfällt.

17 kg Heu pro Tier und Tag brauchen die Kühe

Da wir bisher die einzigen Angestellten auf der Nord-Farm sind, fiel das Füttern der Tiere so auf mich zurück. Wir müssen noch immer mit dem Frontlader mit Speer füttern, da der Ballenabroller es noch nicht von Nanton zu uns herauf geschafft hat. Momentan füttern wir 38 Pfund (etwa 17 kg) Heu pro Tier und Tag. Alles Heu ist zugekauft.

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Die Farm ist erst im Aufbau. Es gab weder Maschinen noch Arbeitskräfte, um im vergangenen Sommer selbst zu heuen. Dieses Jahr rechnen wir damit, insgesamt 1125 Tonnen Heu über den Zeitraum von zirka sieben Monaten zu verfüttern. Den Grossteil des Heus suchen wir erst noch zusammen und kaufen es jetzt ein.

Nebst dem Verhandeln der Preise ist jeweils auch die Organisa­tion des Transports eine Herausforderung. Bis alles organisiert ist, das heisst, ein Traktor im Feld steht, um zu laden, Trucker, die Zeit haben, um am selben Tag zu fahren, vergehen manchmal einige Tage und zahllose Telefonate. Die weiten Distanzen machen es nicht einfacher, alles zeitlich geregelt zu kriegen.

Neben Gräser- und Kräuteranteil ist die Pressdichte entscheidet

Leider «rechnen» hier in der Gegend viele Farmer noch in Anzahl Ballen. Dies ist aber eine Milchbuchrechnung, da sich die Ballen extrem in Grösse und Dichte unterscheiden können. Und selbst wenn wir nach Durchmesser verhandeln würden, kann das Gewicht aufgrund der Gräser und Kräuter und der Pressdichte stark variieren. Dazu kommt, dass es nicht überall Waagen gibt. Es lohnt sich nicht, einen 100 km weiten Umweg zu fahren, um die Ladung zu wiegen.

Eine Ballenwaage für den Frontlader

Daher hat Markus von einem Nachbarn eine Ballenwaage ausgeliehen, welche er an den Frontlader befestigt und die Ballen mit Riemen an die Waage hängt. So kann er zwar nur Stichproben wiegen, aber es gibt uns eine Ahnung, was eine Ladung circa wiegt.

«Den Probenspaten leihen wir beim Landwirtschaftsbüro in Valleyview gratis aus.»

so Alexandra Ruckstuhl über die Futtermittelanalyse.

Auch die Qualität der Ballen, welche wir bereits hier haben, haben wir auswerten lassen. Die Proben werden dann in einem Labor untersucht. Das gibt uns eine Vorstellung davon wieviel Nährstoffe die Kühe kriegen und ob wir die Fütterung anpassen müssen.