«Urteile nie über einen anderen, bevor du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist»
Zitiert Egon Tschol aus einem nordamerikanischen Sprichwort.
Um in den Mokassins, oder «Alpargatas», wie sie hier heissen, der argentinischen Landwirte zu gehen, also die Methoden der argentinischen Landwirte zu verstehen, braucht es vermutlich mehr als nur die eineinhalb Jahre, die wir bereits hier sind.
Aber dennoch kann ich jetzt schon über einige Eigenheiten berichten. Vielleicht gelingt es sogar, einen der vielen Mythen zu entkräften.
Direktsaat drängt sich auf
Vermutlich ist die Direktsaat einer der ersten Begriffe, der einem in den Sinn kommt, wenn man an die endlosen Weiten der argentinischen Pampa denkt. Ja, das ist für wahr ein stark geprägtes Bild, vor allem im konventionellen Anbau von Ackerfrüchten.
So, wie sich der diesjährige Sommer in der Schweiz präsentierte, so muss man sich den normalen argentinischen Sommer vorstellen. Kaum Niederschläge und wenn, dann kommt plötzlich so viel, dass der Boden nicht alles aufnehmen kann.
Im Nu wieder fort
Bodenerosion ist ein Thema, auch durch den steten Wind, der selbst den stärksten Regenguss im Nu wieder abtrocknet und den Boden abträgt, wenn er nicht durch lebendige Wurzeln festgehalten wird. Da drängt sich Direktsaat, also das Säen ohne Bodenbearbeitung, auf.
Schwierig für den Bioanbau
Im Biolandbau, wie wir ihn betreiben, ist dies nicht möglich, weil Begleitkräuter nicht weggespritzt werden können. Deshalb säen wir für einige Jahre zuerst eine Mischung aus Luzerne, Klee und verschiedenen Gräsern und wenden danach die Mulchsaat an.
Stroh wird hier praktisch nie geerntet, sondern gehäckselt auf dem Acker belassen, denn Einstreu erübrigt sich bei der traditionellen Rinderhaltung auf den Naturweiden. Da kommen wir bereits zum Mythos Feedlot.
Lokales Fleisch zu 100 % Weidehaltung
Bei einem «Ojo de Bife», wie der berühmteste Schnitt des Angus-Rindes in Argentinien heisst, denkt man vermutlich an die Intensiv-Ausmast-Methode, wie man sie schon auf Fotos sah. Das mag für die Mehrheit des Exportfleisches stimmen.
Lokales Fleisch hingegen stammt zu 100 Prozent aus der Weidehaltung. Anders wäre es auch gar nicht möglich bei einem durchschnittlichen Kilopreis von umgerechnet sechs Franken beim Metzger.
Je nach Quelle entstammt etwas mehr als die Hälfte des produzierten Rindfleisches aus der Intensiv-Mast, der Rest aus Weidemast. Im Vergleich dazu liegt in Europa der Anteil der Weidemast-Produkte in den tiefen einstelligen Prozentzahlen.
Pflanzenschutzmittel-Verbot im Umkreis von 500 m
Eine Besonderheit, die für mich als Schweizer Landwirt neu war, ist, dass rund um die Dörfer ein Verbot für die Ausbringung von Spritzmitteln gilt – und zwar im Umkreis von 500 Metern. Das kann dazu führen, dass ans Dorf angrenzendes Agrarland billiger ist als weiter entferntes, weil die Erträge dadurch geringer sind.
Für uns als Biolandwirte stellt dies einen grossen Vorteil dar, denn wir können unbehandeltes Land günstig erwerben und haben die Infrastruktur in der Nähe.
Mais ernten im Februar
Eine weitere Besonderheit ist, dass sich die Maisernte bis August hinauszieht, was auf die nördliche Hemisphäre umgerechnet dem Februar entspricht. In der Schweiz oder angrenzenden Ländern wird der Körnermais im Oktober bzw. November geerntet, aber nie wird bis Februar gewartet.
Der Grund für die späte Ernte in Argentinien ist der, dass es in dieser Zeit kaum regnet und damit Trocknungskosten gespart werden. Bis der Mais geerntet wird, weist er weniger als 12 % Feuchte auf und kann so direkt eingelagert werden.
Zudem verzichtet man aus Kostengründen auf die Saat von Gründüngung – leider wie ich finde, denn eine stete lebendige Durchwurzelung wäre gut für den Humusaufbau.
Keine Direktzahlungen
Es gibt keine Förderung für Gründüngung oder ökologische Massnahmen und da die Landwirte, wie überall auf der Welt, dazu gezwungen sind, ökonomisch zu denken und nur kurzfristige Ertragsoptimierung das Überleben sichert, wird es wohl über kurz oder lang zum Verlust von Bodenfruchtbarkeit kommen.
Humus erhöhen
Wir versuchen hier auf unseren Flächen einen Kontrast zu setzen und sind bemüht, die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.