Mit Frühlingsbeginn und den wärmeren Temperaturen sind viele Landwirte wieder mit ihren Traktoren auf den Strassen unterwegs. Die Gülle muss ausgebracht, die Felder müssen zur Saat vorbereitet werden.
Sicherheit ist das A und O
Wie jedes Jahr führt auch dieses Jahr die Polizei verschiedene Aktionen durch, um auf die Sicherheit auf der Strasse aufmerksam zu machen. Wir leben in einem sehr ländlichen Gebiet und wohin man auch fährt, man trifft mindestens einen Traktor auf der Strasse an. Die Höchstgeschwindigkeit auf unseren Hauptstrassen (Highways) liegt bei 100 km/h. Durch die sehr flache Landschaft, die geraden Strassen und die weiten Distanzen ist die Gefahr hoch, beim Autofahren ziemlich schnell gelangweilt zu sein und abgelenkt zu werden. Das Risiko, mit einem langsameren Fahrzeug in einen Unfall verwickelt zu werden, nimmt drastisch zu, wenn die Landwirte wieder vermehrt auf den Strassen unterwegs sind.
Alles richtig gemacht
Leider hat unsere Familie dies Anfang März am eigenen Leib erfahren müssen. Mein Schwiegervater Joe ist am zweiten März bei einem Unfall ums Leben gekommen. Er war mit seinem Traktor unterwegs und wurde von einem Autofahrer übersehen. Das Auto ist mit voller Geschwindigkeit in den Traktor hineingefahren. Joe hatte alles richtig gemacht, die Warnblinker waren an, er hatte das Gefahrendreieck am Traktor und fuhr auf der rechten Spur. Der 25-jährige Fahrer war abgelenkt und hat den Traktor schlicht und einfach nicht gesehen. Joe hatte keine Chance und verstarb auf der Unfallstelle, der Autofahrer stieg ohne einen Kratzer aus dem Auto.
Schwierige Zeit
Der plötzliche Tod von Joe hat in uns allen eine grosse Leere hinterlassen. Unser Leben hat sich von einer Sekunde auf die andere verändert. Ich habe mir lange überlegt, was ich in diesem Artikel schreiben soll, denn der letzte Monat war nicht einfach. Traurige und schwere Momente überschatteten die unbeschwerten, glücklichen Zeiten. Plötzlich ist man gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die man gehofft hatte, noch lange nicht treffen zu müssen. Es wird einem bewusst, dass der morgige Tag nicht garantiert ist.
Auf Morchelsuche im grünenden Wald
Langsam gewöhnen wir uns an die neue Normalität. Wir verbringen nun vermehrt Zeit mit Linda, Joes Frau, helfen ihr rund ums Haus und stehen ihr zur Seite mit allem, was anfällt. Joe liebte es, im Frühling Pilze zu sammeln. Das Wetter ist heute wunderschön und wir beschliessen, unser Glück herauszufordern und zu sehen, ob die Pilze schon aus dem Boden geschossen sind.
Linda, ihr Sohn Seth, Adams Schwester Alicia und ihr Mann Chad, Adam und ich machen uns auf den Weg in den Wald, um nach Pilzen zu suchen. Genauer gesagt suchen wir nach Morcheln. Jeden Frühling ist es fast ein Wettbewerb, wer die ersten Morcheln findet. Die Morcheln wachsen nur während einer kurzen Zeit. Sobald es zu warm wird, ist die Morchelzeit auch schon vorbei. Wir haben im Moment warme Tage, doch die Nächte sind immer noch ziemlich kühl. Daher sind wir nicht sicher, ob es vielleicht für Morcheln doch zu früh ist.
Es ist eine schöne Abwechslung und wir alle geniessen die Sonnenstrahlen und die gelassene Stimmung. Nach 45 Minuten Suchen werde ich fündig. An einem Südhang versteckt sich ein kleiner Pilz. Doch meine Freude ist nur von kurzer Dauer. Bei näherem Betrachten erklärt Adam, dass ich eine «falsche Morchel» gefunden habe. Der Pilz sieht einer Morchel sehr ähnlich, ist aber nicht essbar. Diese «falschen Morcheln» spriessen auch früher als die echten Morcheln. Wir geben nicht auf und suchen weiter. Wenige Zeit später finden wir zwei Pilze, aber auch dies sind nicht die echten Morcheln.
In Gedanken bei Joe
Nach drei Stunden geben wir unsere Suche auf. Leider haben wir heute keine Morcheln gefunden. Doch wir werden zu einem späteren Zeitpunkt unser Glück wieder probieren. Auch wenn wir mit leeren Händen nach Hause gehen, hatten wir Spass und genossen die Zeit zusammen. In Gedanken war Joe mit uns auf der Pilzsuche.
Zur Autorin
Nach dem Agronomiestudium an der HAFL beschloss Melanie (29), ein Praktikum auf Schweinebetrieben in den USA zu absolvieren. Dort lernte sie ihren jetzigen Ehemann Adam Annegers kennen und wanderte 2014 aus. Sie arbeitete zuerst in der Forschung im Schweinebereich und ist nun bei einem internationalen Futtermittelhersteller angestellt. In ihrer Freizeit ist Melanie oft auf dem Hobby-Betrieb (30 Mutterkühe) ihrer Schwiegereltern oder auf der Jagd.