Ebenso wie unsere Familien in der Schweiz hatten wir hier im Norden Albertas einen kalten und nassen Frühling. Bis vor Kurzem wurde es nachts noch regelmässig um die 5 °C kalt und tagsüber höchstens 15 °C. Am 17. Juni hatten wir sogar einen leichten Frost am Morgen!

Zeit zum Holzen

​Bis vor einigen Tagen haben wir auch noch jeden Abend und meist auch morgens ein Feuer angezündet. Auch wenn es heimelig und gemütlich ist, ist es doch schön, wenn man zumindest für einige wenige Monate im Jahr eine Pause vom Holzschleppen hat. Jetzt ist aber natürlich die richtige Zeit, um Holz zu spalten, damit es in der Sommersonne trocknen kann.

So sind wir fleissig dran, die grossen Haufen an Holzstämmen, welche Markus und Paul vor dem Verbrennen im Winter gerettet haben, mithilfe des Brennholz-Prozessors zu 50 cm langen Scheiten abzulängen und zu spalten.

Mehr oder weniger gut gekalbt

Das Abkalben hat sich nun verlangsamt und es sind nur noch circa 60 Kühe, die kalben sollten, wobei darunter auch noch einige trockene Kühe sein werden. Die restlichen 260 Kühe haben mehr oder weniger erfolgreich gekalbt. Zusätzlich schickten Lowes auch noch 35 Kuh-Kalb-Paare von Nanton zu uns. Bis in die erste Woche Juni mussten wir noch füttern, da aufgrund des unfreundlichen Wetters das Gras nur spärlich wuchs.

Mittlerweile konnten wir aber den grösseren Teil der Herde auf eine weiter entfernte Weide treiben, wo jetzt ausreichend Gras wächst. Diese Gruppe wird nicht mehr täglich gecheckt. Markus oder einer der temporär Angestellten fährt nun jeden dritten Tag durch die Herde, um zum Rechten zu schauen und bringt Mineralstoffe und wenn nötig Salzlecksteine aus.

Bei den Kühen, die noch kalben müssen, wird täglich zweimal geschaut und bei den Neuankömmlingen werden Ohrmarken gesetzt, es wird kastriert und ein Gesundheitscheck gemacht.

Spielt das Wetter mit?

Mit Ach und Krach konnten Markus und zwei Angestellte zwischen den Regentagen von der Süd-Farm 300 Hektaren Hafer zur Futterproduktion einsäen. Wenn das Wetter und Timing es zulassen, hoffen wir, noch 40 Hektaren mehr säen zu können. Aber momentan ist es noch zu nass.

Es scheint jedoch endlich aufzuwärmen und wir haben nun einige regenfreie Tage in der Vorhersage. Dank der vielen Sonnenstunden hier oben können wir bis Ende Juni noch säen. Natürlich wäre früher besser gewesen, aber Ende April und Anfang Mai, wenn das Wetter zum Säen gepasst hätte, waren die Maschinen und Angestellten in Nanton und Umgebung am Säen. Als sie dort fertig waren, regnete es hier nur noch.

Fachkräfte sind rar

Wie viele Jahre wird es wohl noch dauern, bis Lowes einsehen, dass auch sie nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen können?

Die Nord-Farm muss funktionieren können, ohne darauf angewiesen zu sein, dass Mitarbeiter und Equipment vom Süden heraufgebracht werden. Wenn im Süden schon alle am Anschlag laufen und es mehr Arbeit als Angestellte hat, wie sollen die sich dann noch zweiteilen und hier oben sein, wenn es das Wetter und die Arbeit verlangen?

Leider ist es aber fast unmöglich, qualifiziertes Personal zu finden. Und das nicht nur für uns. Der Landwirtschaftssektor ist in dringender Not in Sachen Arbeiter, aber anstatt das Problem zu sehen und die Regulierungen anzupassen, erschwert der Staat die Einreise von temporär Angestellten in der Landwirtschaft. Das kommt, weil sie demselben Visums-Prozess unterstellt sind wie Studenten und die Universitäten jahrelang mit ausländischen Studenten geflutet wurden. Nun werden die Schleusentore einfach ganz geschlossen.

Folgen für die Produktion

Dass das Ganze jedoch fatale Folgen für die Lebensmittelproduktion haben wird, scheint in der Hauptstadt Ottawa niemanden zu interessieren. Nicht nur Ackerbauern sind auf temporär Angestellte angewiesen, sondern auch beispielsweise die Obstproduzenten. Viele Produzenten im Okanagan Valley in der Provinz British Columbia fürchten, dass sie nicht genügend «Picker» (Pflücker) finden, um die Ernte einzufahren.

Es ist eine Schande, wenn man um seine gesamte Ernte fürchten muss, weil die Politiker zu weit von der Realität entfernt sind. Und wieder einmal muss man sich die Frage stellen: Ist das nun grobe Inkompetenz oder in Kauf genommene Destabilisierung? Egal, zu welchem Schluss man kommt, die Lösung ist weniger Kontrolle in den Händen der Regierenden, mehr Kontrolle in die Hände der Gesellschaft.

[IMG 2]Zur Person: Alexandra Ruckstuhl und ihr Mann Markus sind 2015 zum zweiten Mal aus der Schweiz nach Kanada ausgewandert. Das erste Mal kehrte die Familie zur Behandlung einer lebensbedrohenden Krankheit ihrer ersten Tochter Josephine in die Schweiz zurück, die zum Glück erfolgreich verlief. Nach der Geburt der zweiten Tochter Elena ist Familie Ruckstuhl in ihre Wahlheimat zurückge­kehrt. 2019 ist Sohn Quinn auf die Welt ge­kommen. Seit 2022 wohnen sie in der Nähe des Weilers Sunset House, wo Markus Ruck­stuhl auf einer grossen Farm angestellt ist.