Die Region rund um Rotorua auf der neuseeländischen Nordinsel ist bekannt für vulkanische Aktivitäten. Der aus dem Boden steigende Dampf erinnert bei der Autofahrt durch die Gegend immer wieder daran, auch Geysire sprudeln in der Nähe vor sich hin. Der vulkanische Boden ist vor allem bei Touristen, aber auch bei Landwirtinnen beliebt, da die Weiden mehr aushalten und es im Winter weniger Weideschäden gibt als bei anderen Böden.

Diese Vorteile kennen auch Marianne und Edwin Schweizer. Das Ehepaar führt eine gute halbe Stunde Autofahrt südlich von Rotorua eine Milchfarm. Neben dem Boden gibt es in der Region laut Edwin weitere Vorteile: 1200 bis 1400 Millimeter Regen pro Jahr, der sich mehr oder weniger gleichmässig auf das ganze Jahr verteile. Zudem führe die Höhenlage von 400 Metern über Meer dazu, dass das Klima nicht so tüppig sei und dass sie weniger Probleme mit Insekten und Fliegen hätten. «Das ist angenehm für die Kühe», erklärt der 43-Jährige.

287 Hektaren Land

Der gelernte Zimmermann ist Sohn eines Schweizer Bauernpaars, welches 1962 vom Kanton St. Gallen nach Neuseeland auswanderte. «Ich habe schon als Kind immer gerne mitgeholfen. Und ich arbeite auch heute noch am liebsten draussen.» Ehefrau Marianne hingegen wuchs in der Schweiz, in Schönengrund, auf, wo sie Bäcker-Konditorin lernte. 2005 reiste sie zum ersten Mal nach Neuseeland, wo sie auf einem «Schweizer» Bauernhof aushalf und dabei auch ihren späteren Ehemann kennenlernte. Im Jahr darauf, zurück in der Schweiz, entschied sie sich, zu ihm nach Neuseeland zu ziehen. Heute sagt die 37-Jährige: «Mir gefällt es hier sehr gut. Die Region erinnert mich wegen der vielen Hügel auch an das Appenzellerland.»

Das Ehepaar war neun Jahre lang als Sharemilker tätig, um Kapital aufzubauen. 2015 konnten die beiden schliesslich eine eigene Farm erwerben. Heute besitzen sie 287 Hektaren Land und 620 Kühe und würden gerne noch etwas wachsen. Vor kurzem konnten sie 58 Hektaren Land vom Nachbarsgrundstück zukaufen.

«Wir wollen bald 750 Kühe auf der Farm haben», sagt Edwin Schweizer. Das sei eine «nachhaltige Grösse, um den Bauernhof für die Zukunft zu rüsten». Zudem will das Ehepaar von zwei auf drei Vollzeitangestellte hochfahren. «Damit haben wir hoffentlich auch etwas mehr Zeit für uns und die Familie», führt Marianne Schweizer aus. Die vier Kinder sind alle im Schulalter und helfen tüchtig mit.

Die Neuseeland-Schweizer sind sehr zuversichtlich, was die Zukunft anbelangt. Der hohe Milchpreis sei momentan ziemlich stabil. «Zudem wird es im Land wegen neuer Bestimmungen kaum zusätzliche Milchfarmer geben. Und die Nachfrage nach Milchprodukten wird hoch bleiben», schätzt Edwin Schweizer die Lage ein. Natürlich gebe es immer Unsicherheiten, «aber die Zukunft sieht für uns derzeit rosig aus.»

Immer auf der Weide

Um weiter wachsen zu können, will das Ehepaar schon bald ein Melkkarussell installieren. Heute werden die Tiere in einem Melkstand für 40 Kühe zweimal täglich gemolken. 250 Kühe pro Stunde ist dabei das Maximum. Mit einem 60er-Karussell würde sich die Kapazität auf 350 Kühe pro Stunde erhöhen.

«Wir haben ein klassisches neuseeländisches Modell», erklärt Edwin Schweizer. Die Kühe, vor allem Neuseeland-Friesian und Kiwi-Cross, verbringen das ganze Jahr auf der Weide, wo sie auch abkalben. Das Jungvieh – etwa 170 Kälber pro Jahr – wird extern aufgezogen. 90 Prozent des Futters ist Gras oder Grassilage. Der Rest besteht aus Palmkernfutter.

Alle fünf Jahre in die Heimat

Die Familie Schweizer hat sich ein ansehnliches Unternehmen aufgebaut. Auch privat ist sie zufrieden: «Als wir nach Rotorua kamen, kannten wir niemanden», sagt Marianne Schweizer, nun seien sie voll integriert. Besuche in der Schweiz liegen allerdings nicht oft drin. «Wenn ich alle fünf Jahre in die Heimat reisen könnte, wäre das schön.» Zum letzten Mal war sie vor zwei Jahren mit den beiden älteren Söhnen in der Schweiz. Edwin war vor zehn Jahren letztmals in der Heimat seiner Eltern. Trotzdem gönnen sie sich in Neuseeland immer wieder ein Stück Schweiz: «Ich koche schweizerisch. Von Bratwürsten, über Cervelats, Rösti, Käsewähenbis zu Raclette gibt es bei uns alles», sagt Marianne Schweizer. Manchmal vermisst sie den richtigen Appenzellerkäse. «Aber alles kann man bekanntlich nicht haben.»

Zur Person
Matthias Stadler stammt aus Brunnen SZ. Der 33-Jährige hat an der ZHAW in Winterthur Journalismus studiert und danach über fünf Jahre bei der «Luzerner Zeitung» als Redaktor gearbeitet. Seit Anfang 2020 lebt er mit seiner neuseeländischen Frau in deren Heimat, wo er als Korrespondent für verschiedene Deutschschweizer Zeitungen schreibt. Seine Freizeit verbringt Matthias Stadler am liebsten in der Natur.