Welche Folgen hätte eine Annahme der Trinkwasser-Initiative auf meinen Betrieb? Gleich mehrere Landwirte beantworteten diese Frage an der Medienkonferenz «Zwei Mal Nein zu den extremen Agrar-Initiativen vom 13. Juni», zu der der Zürcher Bauernverband am 6. Mai eingeladen hatte. Die Orientierung fand im Kartoffellager der Getreidesammelstelle und Futtermühle Thalheim im Zürcher Weinland statt – und auch Rolf Häusler, der Geschäftsführer dieses nachgelagerten Betriebs, erhielt die Gelegenheit, in einem Kurzvotum vor den Medien die Folgen einer allfälligen Annahme der Trinkwasser-Initiative darzulegen.
Rückgang der Produktion
Rolf Häusler charakterisierte die Annahmestelle als schlagkräftigen Betrieb, der eine wirtschaftliche Grösse erreicht hat und kostenmässig durchaus mit Betrieben im benachbarten EU-Raum mithalten kann. Bei einem Ja zu den beiden Initiativen befürchtet Häusler einen markanten Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion. Dies wiederum bedeutet für die Getreidesammelstelle eine Umsatzeinbusse. Den Versuch, seine Silos anstelle von Schweizer Getreide mit Importprodukten zu füllen, erachtet Häusler als wenig sinnvoll. Wahrscheinlicher erscheint ihm die Variante, dass er die Mindereinnahmen durch einen Stellenabbau auffangen muss.
Futtermühle ohne Markt
Die Trinkwasser-Initiative fordert nicht nur den Verzicht auf einen Pestizideinsatz als Voraussetzung für Direktzahlungen, sondern auch einen Tierbestand, der mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann. Ein Ja zu dieser Forderung würde Häuslers Futtermühle hart treffen. Im Zürcher Weinland mit seinen fruchtbaren Böden hat der Ackerbau auf Kosten der Tierhaltung an Bedeutung gewonnen. Ein Ja zur Trinkwasser-Initiative würde den Verkauf von Futtergetreide aus dieser Region an Betriebe etwa im Zürcher Oberland mit einem tendenziell höheren Tierbestand verbieten.
Die Verknüpfung der Direktzahlungen mit einem Tierbestand, der mit auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann, hat es in sich: Der Betrieb von Marc Peter in Wiesendangen setzt auf die beiden Betriebszweige Legehennen und Ackerbau. Für den Bereich Legehennen ist er auf einen Futterzukauf angewiesen. Bei einem Ja müsste er auf Direktzahlungen verzichten. Die Investitionen, die er in die Freilandhaltung steckte, würden nicht mehr abgegolten.
Marco Schwab betreibt in Winterthur-Hegi einen Schweinemastbetrieb nach den IP-Suisse-Richtlinien und Ackerbau. Bei einem Ja zur Initiative sieht er den Ausstieg aus den Direktzahlungen und eine Intensivierung der Produktion als die wahrscheinlichere Variante als eine Reduktion des Tierbestands und eine Ausrichtung des Ackerbaus auf die Futterproduktion für den eigenen Tierbestand.
Ausstieg aus dem ÖLN
Stefan Leu aus Trüllikon betreibt auf einer Fläche von 45 Hektaren Ackerbau nach den Richtlinien von IP-Suisse. Er geht davon aus, dass bei einem Ja zur Trinkwasser-Initiative vier von sechs Kulturen in seiner Fruchtfolge wegfallen würden. Seine Argumentation: Raps- und Zuckerrüben fallen weg, weil der Anbau dieser Kulturen sehr anspruchsvoll und ohne Pflanzenschutz kaum möglich ist. Für Körnermais und Gerste würden die Abnehmer fehlen, weil diese ihre Tiere mit dem betriebseigenen Futter ernähren müssen. Übrig blieben nur noch zwei Kulturen: Brotweizen und Dinkel. Mit lediglich zwei Kulturen kann Leu aber die Anforderungen an die Fruchtfolge und den Ökologischen Leistungsnachweis nicht erfüllen. Seine Konsequenz: Ausstieg aus dem ÖLN und den Direktzahlungen und eine Intensivierung der Produktion.
Nationale Politiker
Neben den direkt betroffenen Berufsleuten kamen aber auch nationale Politiker zu Worte. So stellte der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser fest: «Die Agrarpolitik in der Schweiz hat noch nicht zur Kenntnis genommen, dass wir von einer Zeit des weltweiten Kalorien-Überschusses in eine Zeit mit einer Kalorien-Unterdeckung wechseln.» Die Herausforderung einer nachhaltigen Landwirtschaftspolitik bestehe darin, für die nächsten 20 Jahre die Lebensmittelproduktion zu intensivieren und gleichzeitig deutliche Fortschritte bei der Nachhaltigkeit zu erzielen. Die Schweiz müsse den aktuellen Selbstversorgungsgrad auf dem aktuellen, eher bescheidenen Niveau halten.
Zusätzliche Importe
Martin Haab erinnerte an eine Agroscope-Studie vom Sommer 2020. Wie der ZBV-Präsident und SVP-Nationalrat darlegte, kommt diese zum Schluss, dass eine Annahme der Trinkwasser-Initiative die Belastung von Gewässern in der Schweiz mit Pestiziden und Nährstoffen reduzieren und die Biodiversität leicht verbessern könnte. Im Gesamtergebnis würde die Umweltbelastung aber wegen der zusätzlichen Lebensmittelimporte zunehmen. «Die Verbesserung der Wasserqualität in der Schweiz», so Haab, «müsste also mit teilweise deutlichen Umweltbelastungen der Importe erkauft werden.»
Tiefere Grenzwerte
Der Wädenswiler Nationalrat Philipp Kutter (Die Mittte) wies auf die Parlamentarische Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» hin, die das Parlament in der Frühjahrssession verabschiedet hat. Damit habe das Parlament als Antwort auf die beiden Agrar-Initiativen ein griffiges Pestizidgesetz verabschiedet. Dieses orientiert sich inhaltlich und zeitlich am Aktionsplan Pflanzenschutz des Bundesrats. Mit diesem Gesetz würden in der Schweiz für Pflanzenschutzmittel und deren Rückstände in den Zuströmbereichen für die Trinkwassernutzung 100-fach tiefere Grenzwerte gelten als in der Europäischen Union.
Wahlfreiheit entfällt
Babette Sigg ist geschäftsführende Präsidentin des Schweizerischen Konsumentenforum kf. Sie legte dar, weshalb sie die Initiative ablehnt: Die Verknappung des regionalen Angebots würde die Preise dieser Produkte in die Höhe treiben. Diese wiederum würde den Kauf von ausländischen Produkten und den Einkaufstourismus ankurbeln. Heute hätten die Konsumenten die Wahl zwischen Produkten aus verschiedenen Regionen, Preisniveaus und Anbauarten. Dies Wahlfreiheit werde durch die Initiativen gefährdet.
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